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2007
Conference Paper
Title
Wer oder was treibt Technik (an)? - Von der Eigendynamik zur Gestaltungsfreiheit
Abstract
Technisches Agieren zeigt ein doppeltes Antlitz. Auf der Makroebene beobachtet man in der ersten Ansicht eine merkwürdige Eigendynamik der technischen Entwicklung. Die Technik treibt die Technik an. Dieses ganze Getriebe wird jedoch erst dann verständlich, wenn man es auf jene anthropologische Prämisse aufbaut, die die Technik als Notwendigkeit der Überlebenssicherung definiert und dabei den Menschen als "Mängelwesen" herabstuft. Der Mangel erscheint als Antrieb der Technik. Darauf aufbauend behauptet die gängige Neutralitätsthese, dass technische Artefakte im Prinzip für beliebige Zwecke einsetzbar, also neutral sind. In einer zweiten Ansicht ist jedoch auf der Mikroebene einzelner Techniken die Gestaltungsfreiheit beim zielorientierten technischen Handeln festzuhalten. Einzelne menschliche Subjekte treiben aktiv Technik voran. Hier nun braucht man eine Anthropologie, die die technische Eignung des Menschen betont. Der Mensch hat als manuell agierender Technik mit der Hand das technisch brauchbarste Organ überhaupt. Nicht erst die existentielle Not führt zur technischen Tugend, sondern Technik ist die ursprüngliche Tugend des Menschen. Die Notwendigkeiten des menschlichen Lebens sind dann als ein Sich-Wohl-Befinden ganz anders bestimmt. Technik dient nicht mehr bloß dem schieren Überleben, sondern vor allem dazu, sich den Sinn im Leben zu erfinden. In der Betonung der Gestaltungsfreiheit aber stellt sich auch die Frage nach der Normativität der Technik in anderer Weise. Das hier erarbeitete Gestaltungstheorem besagt, dass technische Artefakte mit ihrer jeweils konkreten Gestalt unabhängig vom Anwendungskontext nicht für beliebige Zwecke gleichermaßen gut geeignet sind. Dies wird am Beispiel der Unterschiede zwischen Küchenmesser, Kampfmesser und Matrosenmesser verdeutlicht. Die Gestaltungsfreiheit zeigt sich bei der Planung und beim Betrieb von Fabriken in dehn vier voneinander unabhängigen Zieldimensionen Variabilität, Qualität, Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit. Die Schwierigkeit liegt nun darin, dass Maßnahmen zur Verbesserung einer Zieldimension oft zur Verschlechterung des Zielerreichungsgrades bei den anderen Dimensionen führen. Aufgabe der Produktionsoptimierung ist es, die Effizienz der Produktion im Hinblick auf diese vier einander widerstrebenden Zieldimensionen beständig zu steigern. Als Antrieb technischer Entwicklung erweist sich "homo efficiens", der sein technisches Handeln zu höchster Effizienz optimiert. Diese Bestimmung ist zu unterscheiden vom eindimensionalen, ausschließlich am finanziellen Gewinn ausgerichteten "homo oeconomicus". Eine entsprechend auszuarbeitende Theorie der poiëtischen Vernunft würde ein vernunftgeleitetes Herstellungsvermögen in diesem Sinne beschreiben.