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1994
Report
Title
Kippungskompensation und Presskraftüberwachung im Druckpunkt
Abstract
Enger werdende Qualitätstoleranzen umformtechnischer Produkte und Herstellungsverfahren sind der Grund dafür, daß die Maschinengenauigkeit bei steigender Flexibilität der Fertigungsanlagen immer mehr im Vordergrund des Interesses der Pressenanwender steht. Die Presse wird zunehmend zum "schwachen Glied in der Qualitätskette" der Umformtechnik. Die Erklärung liegt in den gröberen Toleranzfeldern der Pressenbaugruppen gegenüber den der Werkzeuge und einer allgemeinen Überbestimmung des Pressenstößels und der damit objektiven Möglichkeit ungewollter Relativbewegungen des Ober- zum Unterwerkzeug und darüber hinaus bei mechanischen Pressen in der fehlenden Möglichkeit, durch aktive Veränderung von Pressenparameter während der Umformung auf den Prozeß selbst Einfluß zu nehmen. Ziel dieses und des folgenden Projektes ist die Entwicklung einer Möglichkeit der aktiven Einflußnahme auf die ungewollten Relativbewegungen des Pressenstößels. Durch die Kombination des allgemein nicht regelbaren mechanischen Pressenantriebes mit hydraulischen Stellachsen im Druckpunkt (Antrieb) des Stößels, soll die Wirkflächenparallelität zwischen Stößel und Tisch erhöht werden. Bestreben ist eine geringe Parallelitätsabweichung der Werkzeugspannflächen unter Betriebsbedingungen bei hoher Stabilität und Zuverlässigkeit zu erreichen. Aufgrund wesentlich schnellerer Verfahrensvorgänge in mechanischen Pressen gegenüber den kraft- und geschwindigkeitsregelbaren Vorgängen in hydraulischen Pressen sind die Anforderungen an eine Einrichtung zur aktiven Beeinflussung des Stößelweges im Bereich des mechanischen Antriebes ungleich größer. Die Kippung ist Resultat der Pressenbelastungen und Federsteifen. Darüber hinaus wirken sich kinematische Fehler des Antriebes sowie das Verhältnis der objektiv vorhandenen Spiele im Antrieb- und Führungsbereich des Presse-Werkzeugsystems aus. Die Lagebestimmung des Stößels durch Antrieb und Führung verursacht Zwangskräfte, die das Kippungsverhalten ebenfalls negativ beeinflussen. ln erster Instanz wurde in diesem Projekt ein Konzept erarbeitet, mit dem es gelingt, ohne zusätzlichen Einsatz komplizierter und teurer Meß- und Regelungstechnik, die Kippung aufgrund heute permanenter Überbestimmung des Werkzeugträgers im Antrieb-Führung-System der Presse, zu minimieren. Hierbei ist es notwendig, den Stößel eindeutig in seiner Relativlage zum Tisch zu bestimmen. ln diese Lage kann (muß !) er mittels "innerer" Systemkräfte durch Schränkung des Antriebes und/oder "äußerer" Horizontalkräfte gezwungen werden. Durch eine einseitige X-Anordnung der Führung ist die Lage auch in der senkrecht dazu stehenden Horizontalebene durch die wirkenden Kräfte gegeben. Die Verdrehung des Stößels um die Vertikalachse wird stark unterbunden. Horizontalverschiebungen werden reduziert, da örtliche konzentrierte Krafteinleitungen verhindert werden, "weiche" Einstellelemente eliminiert werden und die Führungssteife in die Ständer gelegt werden kann, Spiele im herkömmlichen Sinn vermieden und verspannte Führungen einsetzbar werden. Bei großflächigen Stößeleinheiten mit Mehrpunkt-Antrieb ist dieses Konzept nur bedingt anwendbar. Der Grund liegt in der Höhe der erforderlichen Horizontalkräfte zur horizontalen Anlage des Stößels an die Pressengestellführung. Durch eine flexible Anlenkebene wird geometrisch ein "Einpunktantrieb" simuliert und die positive Eigenschaft des Antriebes, die Nichtbeeinflussung der Horizontallage des Stößels, übernommen. Schnelle hydraulischen Achsen im Hauptantrieb der Presse realisieren diese Funktion. Hier ist die Aufgabe der sogenannte Druckpunktregelung angesiedelt. Das Gesamtvorhaben soll dazu beitragen, die komplexe Problematik des Zusammenwirkens mechanischer und hydraulischer Elemente im Pressenhauptantrieb, die eine Kippungskompensation bewirken, zu erkennen und anhand eines Versuchsmusters die Kompensation zu verwirklichen. Dem Projekt lagen drei Zielstellungen zugrunde: Verallgemeinerbare Grundsatzuntersuchungen zum Kippungsverhalten mechanischer Einpunkt- und Mehrpunkt-Pressen mit dem Ergebnis einer Reduzierung der Stößelkippung ohne teuere Regelungstechnik, Ermittlung der notwendigen Parameter, die eine EntscheidungsfindunQ zur Realisierbarkeit einer Druckpunktregelung zulassen und Leistungsanforderungen der Mechanik, Hydraulik, Steuerungs- und Regelungstechnik bestimmen. Projektierung, konstruktive Gestaltung, Fertigung und Montage eines Prototyps mit dem Ziel einer ersten praktischen Erprobung, Testung der funktionalen Zusammenhänge in einer Zweipunkt-Presse. Bei der Entwicklung der Kippungskompensation muß man davon ausgehen, daß der Leistungsbedarf einer schnellen Positionierung der Stelleinheiten unter hohen Preßkräften nur durch hydraulisch oder mechanisch gespeicherte Energie gedeckt werden kann. Aufgrund der zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten von Energiespeichern und den Randbedingungen relativ große Stellwege bis 3 mm, hohe notwendige Laststeifigkeit, mögliche Nachrüstung und konstruktive Ähnlichkeit zu vorhandenen Baugruppen, wie die HÜ, wurde der hydraulischen Energiezuführung der Vorzug gegeben. Die entwickelte servohydraulische Stelleinheit wurde den konstruktiven Gegebenheiten der Versuchspresse angepaßt. Bei der Entwicklung der Stelleinheiten, die Doppelkammerdruckpunkte, fanden folgende Kriterien Berücksichtigung: Die Übertragung der zum Umformen und Schneiden erforderlichen Kraft entspricht dem bisherigen Maximum von 2000 kN. Zum Schutz der Presse und deren Peripherie ist eine Begrenzung der maximalen übertragbaren Kraft vorgesehen. Der Stellweg sollte der möglichen Verdrehung des Stößels bei einem maximal-zulässigen Kippmoment genügen. Die Ansteuerung der Druckpunkte erfolgt mittels Servoventile, die den Vorzug gegenüber der Proportionalventiltechnik erhielten. Bei der sich hier ergebenen Regelaufgabe sind nur negativüberdeckte Servoventile einsetzbar, da ansonsten der Signalfluß auf die Druckpunkte unterbrochen werden kann und keine Druckregelung ermöglicht wird. Damit die Anpassung der Regler zur Erfüllung der Forderungen nach Stabilität und schneller Kompensation der Regelabweichung (Kippung) erfolgen kann, war eine 88 möglichst genaue Beschreibung aller Regelkreisglieder erforderlich. Das galt für das dynamische Verhaltens der Servoventile. Es wurden simulative und praktische Untersuchungen zur Ermittlung der Kenndaten vorgenommen. Die Parameter der Hydraulik wurden den notwendigen Leistungsforderungen des Systems angepaßt. Die Ausregelung auf vorgegebene Sollwerte soll mit einer möglichst kurzen Verzögerung, bei technisch sinnvollem und minimalem Aufwand, geschehen. Die genannten Forderungen werden durch die Nutzung von mehr als einer Stelleinheit zur pressensymmetrischen Kompensation der Stößelkippung noch erhärtet. Bei der Entwicklung und Auslegung spielen deshalb die Stabilität der Regelung und der Einsatz geeigneter Meßtechnik eine bestimmende Rolle. ln einem 2-Ebenen-Konzept fanden die genannten Forderungen nach symmetrischer Ausregelung der Kippung, Stabilität der Regelung und geringen Steifigkeitsverlust durch kurze Reaktionszeiten in erster Instanz ihre Berücksichtigung. Bei der Umsetzung wurde ein sogenannter kaskadischer PID-Regelungsaufbau gewählt. Zwei unterlagerte Druckpunktregelkreise arbeiten parallel nebeneinander. Deren Sollwerte werden von dem übergeordneten Regelkreis, dem Kippungsregler, beeinflußt.Dazu werden die aktuellen Stößelabstände links und rechts gemessen und im Kippungsregler verarbeitet. Die aufgetretene Regelabweichung wird nach Berechnungsalgorithmen in ein entsprechendes Ansteuersignal für die Servoventile gewandelt. Es mussten in geeigneter Weise die hier konstanten Einstellparameter der Regler gefunden werden. Für jeden der drei Regler hängen diese direkt vom Übertragungsverhalten "ihrer" Regelstrecken ab. Deshalb wurden die Regelkreise getrennt betrachtet, im einzelnen theoretisch und praktisch untersucht. Die Ermittlung des Übertragungsverhaltens der Presse konnte sich nicht allein auf maximale Kippung, Kippsteife, Horizontalsteife der Presse beschränken. Hier waren Fragen zu notwendigen Stellwegen und -geschwindigkeiten zu klären. Da Pressen dynamisch beansprucht werden, war die Ermittlung auftretender Vertikal- und Kippschwingungen des Stößels im komplexen Gesamtsystem Presse, gerade bei einem hier aufgetretenen außermittigen Kraftschwerpunkt notwendig. Es wurden statische Messungen zur Ermittlung der vertikalen Gesamtsteife der Presse, der kurbelwinkelabhängigen Drucksteifefunktion des Antriebes, d.h. der notwendigen Torsionssteifen des Antriebes und der Antriebssteife, und dynamische Messungen zur Ermittlung des Frequenzspektrums der Hub- und Kippschwingungen des Stößels, der Dämpfung, des Antriebsspieles, der kurbelwinkelabhängigen Zugsteifefunktion des Antriebes, vorgenommen. Mit den Parametern der Regelstrecken wurde die Erstellung eines Simulationsmodells möglich, welches die hauptsächlichen Einflußgrößen berücksichtigt. Im Folgeprojekt wird dieses durch praktische Messungen weiter verifiziert. Es wurden erste Versuche durchgeführt. Mit Ausschaltung der Führungselemente der Presse soll im weiteren die separate Wirkung des Regelungssystems festgestellt werden. Es konnten erste Erkenntnisse bei der Nutzung des Reglungsaufbaus gewonnen werden. Das entwickelte Reglerkonzept zum Kippungsausgleich ist anwendbar. Der Hauptnachteil der Lösung liegt in der "starren" Reglerstruktur. Es wird eine frei programmierbares Reglersystem als notwendig erachtet. Bei Änderung des Systemzustandes, wie es beim Eintreten in den belasteten Pressenzustand während der Umformung oder beim Durchreißen nach einem Schneidvorgang die Regel darstellt, ist eine Reglerumschaltung notwendig. Damit können Stabilität und Wirkflächenparallelität unter Last weiter erhöht werden. Das Antriebsspiel ist dabei besonders zu berücksichtigen.