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2000
Book
Title
Umwandlung und Abbau von Pflanzenschutzmitteln in Böden
Title Supplement
Auswirkungen auf die Umwelt
Abstract
Pflanzenschutzmittel (PSM) sind physiologisch außerordentlich wirksame Chemikalien, mit denen spezifisch bestimmte Schad- und Konkurrenzorganismen landwirtschaftlicher Nutzpflanzen in ihrer Aktivität eingeschränkt werden. Der anfängliche Optimismus, dass dies ohne Nebenwirkungen auf andere Organismen möglich ist, wurde durch viele Rückschläge gedämpft. Inzwischen versucht man durch strenge gesetzliche Kriterien und eine ausgedehnte Überwachung, diese unerwünschten Nebenwirkungen zu vermindern und zu begrenzen. Einen wesentlichen Beitrag zu diesen Bemühungen liefern Untersuchungen über ihr Umweltverhalten und ihre Toxizität, die von den Herstellern selbst, von Hochschulen und staatlichen Einrichtungen erarbeitet werden. Dadurch handelt es sich bei den im Pflanzenschutz eingesetzten Wirkstoffen um relativ gut untersuchte Substanzen, aus deren Verhalten sich auch Informationen über das ökologische Verhalten anderer organischer Xenobiotika ableiten lassen. Nach den ursprünglich breit wirksamen, allerdings nur langsam abbaubaren PSM wurden inzwischen Agrochemikalien entwickelt, die in geringeren Konzentrationen sowohl gezielter wirksam sind als auch schneller abgebaut werden. Dies zeigt sich in einer mengenmäßigen Stagnation oder sogar Abnahme der weltweiten PSM-Produktion. Vor allem bei den Herbiziden sind mitunter Mengen unter 100 g der Aktivsubstanz pro Hektar zur Kontrolle natürlicher Konkurrenten von Kulturpflanzen ausreichend. Die Massenbilanz des Verschwindens eines PSM vom Ort der Applikation setzt sich aus Umwandlungsprozessen durch biologischen, chemischen und physikalischen Abbau in Boden und Pflanzen, aus der Abfuhr in Form der Erntegüter sowie aus Transportphänomenen wie Verflüchtigung, Abfluss und Auswaschung zusammen. In dieser Aussage ist nicht nur der Abbau als solcher, sondern auch die Verteilung von PSM-Resten in angrenzenden Ökosystemen enthalten: auf beide Aspekte wird vor allem im Hinblick auf die zentrale Rolle des Bodens im Buch eingegangen. Abbau und Verteilung sind vom Klima und von den Bodeneigenschaften abhängig, daher ist es nicht erstaunlich, dass Angaben über mittlere Verweilzeiten von PSM in Böden stark variieren. Durch Anwendung von Pflanzenschutzmitteln - vor allem älteren, breitenwirksamen PSM - kann das Gleichgewicht zwischen natürlichen Feinden von Schädlingen und den Schädlingen selbst gestört werden. Inzwischen versucht man jedoch im Rahmen eines integrierten Pflanzenschutzes, dieses Gleichgewicht zu erhalten und die natürlichen Feinde von Schädlingen sogar gezielt einzusetzen. Auch wurde und wird man sich zunehmend bewusst, dass in der Natur teilweise altbekannte Substanzen mit bioziden Eigenschaften vorkommen, die man durch chemische Veränderung so anpasst, dass sie stabiler sind und gezielter wirksam werden. Dieser Weg vermeidet jedoch nicht, dass sich Resistenzen gegen neue Pflanzenschutzmittel einstellen. Dadurch ist man gezwungen, ständig neue Substanzen zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen. Man schätzt, dass bis heute fast eintausend tierische und pilzliche Schädlinge Resistenzen gegen Agrochemikalien entwickelt haben, wozu auch zunehmend pflanzliche Konkurrenzorganismen - Wildkräuter - gehören. Zwar eröffnet die Methode der genetischen Manipulation von Pflanzen und Organismen neue Möglichkeiten des Pflanzenschutzes, aber auch dadurch ist eine fortlaufende Resistenzentwicklung nicht zu vermeiden. Selbst die gut kontrollierten Agrowirkstoffe verursachten und verursachen immer wieder unerwünschte Nebenwirkungen. So macht man durchaus die Beobachtung, dass Grund- und Quellwässer mit Resten von Pflanzenschutzmitteln verunreinigt sind, deren Konzentrationen manchmal oberhalb des EU-Grenzwertes von 0,1 bzw. 0,5 mug/L - jedoch unterhalb eines Toxizitätswertes - liegen. Inwieweit hierbei Substanzen aus dem Oberflächenboden durch "preferential flow" durch Makroporen und Bodenbereiche mit erhöhter Wasserdurchlässigkeit nach unten transportiert werden oder eine geringfügige Freisetzung von nicht extrahierbaren (gebundenen) Rückständen erfolgt, ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Auch auf diese Problematik wird in diesem Buch eingegangen. In verschiedenen Regionen Deutschlands versuchen sich deshalb z. Z. unterschiedliche Interessengruppen über eine gewässerverträglichere Landwirtschaft durch Optimierung von Substanzeigenschaften und von Anwendungsformen bzw. -zeitpunkten zu verständigen. Sicherlich trägt der chemische Pflanzenschutz zur Ernährung einer rapide zunehmenden Weltbevölkerung bei und wird auch weiterhin vor allem im Hinblick auf die kontinuierliche Abnahme der verfügbaren Agrikulturflächen eine wichtige Rolle spielen. Gerade deshalb hat eine umfassende, stetig weiter zu entwickelnde Risikoforschung von Agrarchemikalien eine herausragende Bedeutung.