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2012
Doctoral Thesis
Titel
Experimentelle und numerische Untersuchungen zu entladungsbasierten Elektronenstrahlquellen hoher Leistung
Alternative
Experimental and numerical investigations of discharge-based electron beam sources
Abstract
Entladungsbasierte Elektronenquellen mit Kaltkathode waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts weithin genutzte Forschungswerkzeuge und ermöglichten die Entdeckung des Elektrons und der Röntgenstrahlung. In jüngster Zeit erfahren sie erneutes Interesse in Wissenschaft und Industrie, motiviert durch ihre Fähigkeit, Elektronenstrahlen hoher Leistung für Produktionsprozesse (wie das Schweißen, die Materialverdampfung in der Vakuumbeschichtung oder die Vakuum-Schmelzveredlung in der Metallurgie) basierend auf einem robusten Design sowie einfachen Versorgungs- und Steuerungssystemen zu erzeugen. Entladungsbasierte Elektronenquellen könnten also eine wirtschaftlich attraktive Alternative zu den gegenwärtig noch etablierten Elektronenstrahlkanonen mit Glühkathoden bieten. Trotz der langen Geschichte und vieler empirischer Ansätze, Gasentladungen zur Elektronenstrahlerzeugung für diverse Anwendungen zu nutzen, sind die bestimmenden Mechanismen bei dieser Art von Elektronenquellen immer noch unzulänglich verstanden. Es war deshalb das Ziel der für die vorliegende Dissertation durchgeführten experimentellen und theoretischen Arbeiten, nicht nur die technologischen Potentiale und Limitierungen entladungsbasierter Elektronenstrahlquellen zu untersuchen, sondern auch die Kenntnis grundlegender physikalischer Effekte zu verbessern. Analysiert wurden zunächst verschiedene, im Fraunhofer FEP vorhandene Kaltkathoden-Strahlquellen, die - ungeachtet der Tatsache, dass sie für unterschiedliche Anwendungen konstruiert wurden - sämtlich auf demselben Funktionsprinzip beruhen: Innerhalb des Gerätes wird eine Hochspannungs-Glimmentladung (HSGE) unterhalten. Ionen erfahren im Kathodenfall einen Energiezuwachs, treffen auf die Kathode und setzen dort Sekundärelektronen frei. Diese Elektronen werden in Richtung des Plasmas beschleunigt und verlassen schließlich die Strahlquelle, um am Prozessort die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Zur Optimierung der Stabilität der die Ionen produzierenden Entladung, der Effizienz der Strahlerzeugung sowie der Strahlleistungsdichte und Kathodenlebensdauer wurden verschiedene Kombinationen von Kathodenmaterialien und Plasma-Arbeitsgasen experimentell untersucht. Die Abhängigkeit der Ausdehnung des Kathodenfalls von Strom und Spannung der Entladung wurde gemessen und konnte durch ein analytisches Modell erklärt werden. Emittanz und Richtstrahlwert sind wichtige Kenngrößen zur Charakterisierung der Qualität von Elektronenstrahlen. Beide wurden in dieser Arbeit für den Elektronenstrahl einer HSGE-basierten Kaltkathoden-Schweißstrahlquelle bestimmt, wobei zwei Ansätze verfolgt wurden: Zum einen konnte die Emittanz aus der Randstrahlgleichung gewonnen werden, die den experimentell beobachteten Verlauf des Strahldurchmessers entlang der Ausbreitungsachse analytisch beschreibt. Zum anderen wurde die Emittanz anhand des aus der numerischen Simulation berechneten Phasenraumprofils ermittelt. Eine Kernaufgabe dieser Arbeit war es, Software-Werkzeuge zur Simulation der Strahlerzeugung in verschiedenen geometrischen Konfigurationen zu entwickeln und zu validieren, mit denen künftig die Konstruktion und Optimierung neuer entladungsbasierter Strahlerzeuger unterstützt werden sollte. Da kommerziell verfügbare Programme zur Simulation der Erzeugung und Führung von Elektronenstrahlen grundlegende Effekte plasma basierter Quellen, wie z. B. die Raumladung der Ionen oder die ioneninduzierte Sekundär elektronen-Freisetzung, nicht berücksichtigen, wurde für diese Arbeit eine neue Herangehensweise favorisiert: ""Particle-in-Cell"" (PIC)-Algorithmen werden in der Plasma forschung üblicherweise zur Modellierung von Entladungen sowie zum Studium nichtlinearer Probleme, wie z. B. Instabilitäten, verwendet. Deshalb wurde nun eine PIC-Simulationsumgebung zur Modellierung der HSGE und der damit verbundenen Strahlerzeugung entwickelt. Die Simulation reproduziert experimentelle Ergebnisse, wie etwa die Charakteristik der Entladung, die Emittanz des Strahls oder die Ausdehnung des Kathodendunkelraums, in befriedigender Weise. Schließlich wurde im Rahmen dieser Arbeit eine entladungsbasierte Elektronenstrahlquelle neuen Typs entwickelt und charakterisiert, die die Einfachheit der bekannten Kaltkathoden-Strahler und vorteilhafte Leistungsparameter, z. B. eine hohe Strahlleistungsdichte und niedrige Arc-Rate, wie sie bisher nur mit traditionellen Glühkathodenstrahlern erreichbar waren, in sich vereinigt. Die Kathode bestand aus LaB6 - einem Material, das sowohl eine hohe Sekundärelektronen-Ausbeute als auch eine niedrige Austrittsarbeit aufweist - und wurde gegen die Halterung thermisch isolierend montiert. Dadurch kann sie von Ionen aus einer HSGE auf hohe Betriebstemperaturen geheizt werden und in erheblichem Maße thermisch freigesetzte Elektronen emittieren. Neben technisch nützlichen Gebrauchseigenschaften weist diese so genannte ""Hybrid-Kathode"" auch ein physikalisch interessantes Verhalten auf. Einige neuartige Effekte, die von Entladungen mit kalten Kathoden nicht bekannt waren, konnten beobachtet und erklärt werden, wie z.B. die auffällige ""N-förmige"" Druck-Strom-Charakteristik, die bei plötzlicher Abschaltung der Entladung nur langsam und ungleichmäßig abklingende Elektronenemission, die Limitierung des erreichbaren Strahlstromes und eine Fülle von Kathodenverschleiß-Mechanismen. Physikalische Modelle zur Beschreibung verschiedener Aspekte der Hybridkathoden-Entladung wurden erarbeitet und mit den experimentellen Befunden verglichen.
ThesisNote
Dresden, TU, Diss., 2012
Verlagsort
Dresden