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2013
Conference Paper
Titel
Sichere Lackierung von Automobil-Anbauteilen aus Kunststoff durch fundierte Analytik der Aktivierungseffekte
Abstract
Für Automobilanbauteile werden zunehmend Werkstoffe auf Polypropylen(PP)-Basis eingesetzt. Im Fall einer Lackierung muss deren unpolare Oberfläche aktiviert, d.h. polarer gemacht werden. Kunststoff-Formteile werden i.d.R. beflammt. Trotzdem treten immer wieder Haftungsprobleme auf, insbesondere wenn wasserbasierende Lacksysteme aufgebracht und die Bauteile nach Alterung extremen mechanischen und thermischen Beanspruchungen ausgesetzt wurden. Mit der Einführung des Druckwasserstrahltests (HDW-Test, DIN 55662), einem relativ neuen Haftungstest mit verschärften Prüfbedingungen und lokaler Vorschädigung, wurden mehr Teile mit Haftschwächen auffällig. Aktivierungseffekte können mit oberflächensensitiven Analyseverfahren umfassend charakterisiert werden. Dabei geht es meist um die Art und den Anteil der erzeugten polaren Gruppen sowie um die damit erzielte Polarität, also um die Lackbenetzung und mögliche Ankerplätze für die Lackierung. Eine potenzielle Schwächung der Lackhaftung durch niedermolekulare lösliche Anteile auf den aktivierten PP-Oberflächen wird dagegen kaum diskutiert. Hierbei handelt es sich insbesondere um PP-Abbauprodukte, die durch das Eintragen von Energie in die obersten Moleküllagen der Polymermatrix entstehen können. Zusätzlich können die Bindungen an der Kunststoffoberfläche durch Additive des Kunststoffes (Antioxidanzien, Wachse, Antistatika, Gleitmittel) geschwächt werden, die sich in oberflächennahen Bereichen anreichern. PP ist ein hinsichtlich Polymerabbau sehr empfindlicher Werkstoff, bei dessen Aktivierung die Bildung geschwächter Grenzflächen und Haftungsprobleme vorprogrammiert sind. Bei der Korona-Entladung, die vor allem bei Folien eingesetzt wird, ist bekannt, dass es bereits bei geringen Intensitäten zu Grenzschichtdefekten/weak boundary layers und in der Folge zu Beschichtungsenthaftungen kommt. Zu anderen Aktivierungsverfahren gibt es dahingehend nahezu keine Informationen. In einem derzeit am Fraunhofer IPA in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen (FILK), Freiberg/Sachsen und dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) durchgeführten Forschungsvorhaben wird das heute standardmäßig für Kunststoff-Formteile eingesetzte Beflammen mit der Gasphasenfluorierung und dem Atmosphärendruck-Piasmaverfahren verglichen. Für diese drei Aktivierungsverfahren wird herausgearbeitet, was jeweils an der Oberfläche von PP-Werkstoffen passiert und ob der mit dem Einbau funktioneller Gruppen einhergehende Polymerabbau zu potenziellen Schwachstellen hinsichtlich der Haftung bzw. der Belastbarkeit wasserbasierender Beschichtungen führt. Das Beflammen scheint im Vergleich zur Gasphasenfluorierung und dem Atmosphärendruck-Plasmaverfahren relativ schonend zu sein. In den von den aktivierten PP-Oberflächen löslichen Anteilen waren infrarotspektroskopisch neben Additiven keine PP-Abbauprodukte nachzuweisen, was auf eine chemische Verankerung der polaren Gruppen an der Oberfläche hinweist. Die beim Beflammen erzielte Polarität war vergleichsweise gering. Dennoch traten bei PP-Werkstoffen mit relativ niedrigen Additivgehalten Lackenthaftungen nur bei zu schwacher Aktivierung (Inhomogenitäten) auf. Bei PP-Werkstoffen mit höherem Additivgehalt kam es dagegen auch bei normaler Aktivierung zu Lackenthaftungen. Hierbei handelt es sich um ein kohäsives Versagen in der obersten Kunststoffschicht. Bei der Gasphasenfluorierung und dem Atmosphärendruck-Plasmaverfahren wurden PP-Abbauprodukte nachgewiesen, dennoch waren bei Isocyanat-gehärteten Lacken keine Enthaftungen zu beobachten.