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2004
Conference Paper
Titel
IT-Projekte in der öffentlichen Verwaltung - Analogien zum Outsourcing
Abstract
Dieser Beitrag vergleicht Entwicklungsprojekte für die öffentliche Verwaltung mit Outsourcing-Projekten in der Industrie. Auf Grund von Einschränkungen durch die Vergabeordnung haben öffentliche Auftraggeber nur einen beschränkten Spielraum bei der Gestaltung ihrer IT-Projekte. Im Zuge der eGovernment-Aktivitäten von Bund und Ländern und bedingt durch geänderte politische Rahmenbedingungen findet seit einiger Zeit ein Umbau und damit verbunden eine Modernisierung der IT-Infrastruktur öffentlicher Verwaltungen statt. Der Umbau wird von den Verwaltungen nicht selbst realisiert sondern ausgeschrieben, d. h. es findet ein Outsourcing der Entwicklung statt. Basierend auf Erfahrungen aus Projekten der Finanzwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung wer den Gemeinsamkeiten und Unterschiede von IT-Projekten diskutiert. In beiden Bereichen werden durch die große Anzahl der Kunden, Sachbearbeiter und Geschäftsvorfälle hohe Anforderungen an nichtfunktionale Architektureigenschaften wie Performance, Sicherheit und Verwaltbarkeit gestellt. Durch die sich häufig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen die Systeme zusätzlich einfach zu warten und evolutionsfähig sein. Gemeinsam ist aus funktionaler Sicht für beide Bereiche die Forderung nach weitgehenden und anwendungsübergreifenden Auswertungsmöglichkeiten. Es bestehen jedoch auch gravierende Unterschiede. Große Finanzdienstleister haben entweder eigene IT-Kompetenz auf hohem Niveau aufgebaut oder sie sichern sich diese durch Outsourcing-Verträge, wobei sowohl die Entwicklung als auch der Betrieb externalisiert werden können. Im Gegensatz dazu konzentriert man sich in der öffentlichen Verwaltung bei der Spezifikation von Anforderungen bis heute vorrangig auf die funktionalen, während nichtfunktionale architekturelle Aspekte noch eine untergeordnete Rolle spielen. Outsourcing-Projekte in der öffentlichen Verwaltung müssen deshalb durch unabhängige Experten unterstützt werden, die sowohl Management- aber vorrangig architekturelles Wissen in die Projekte einbringen müssen. Das Fraunhofer ISST begleitet momentan ein Projekt für den Senat von Berlin für Bildung, Jugend und Sport, in dem über mehrere Jahre eine neue Anwendungslandschaft entwickelt wird, die sowohl ein besseres Controlling als auch eine bessere Interaktion mit den Bürgern ermöglichen soll. Um den funktionalen und nichtfunktionalen Anforderungen gerecht zu werden, wurde gemeinsam mit dem Auftraggeber analog zu Infrastruktur-Projekten der Finanzwirtschaft eine komponentenbasierte und dienstezentrierte Referenzarchitektur definiert und eine Anzahl von zu realisierenden Komponenten identifiziert und spezifiziert. Nach einer Ausschreibungsphase erfolgt die Realisierung der Infrastruktur und der Basiskomponenten, auf deren Grundlage zunächst einfache Anwendungen zur Verwaltung von Einrichtungen und Diensten im Bereich Bildung, Jugend und Sport realisiert werden. In einem zweiten Schritt werden zusätzliche Fach- und fachunabhängige Komponenten realisiert, so dass weitere Fachanwendungen z. B. für die Vergabe von Plätzen in Kindertagesstätten komponiert werden können. Die bisherigen Arbeiten haben gezeigt, dass die IT-Anforderungen großer öffentlicher Verwaltungen sich bis auf Abweichungen in der Fachlichkeit nicht von denen großer Unternehmen in der Finanzwirtschaft unterscheiden. Komponenten-Architekturen auf der Basis moderner Plattformen können auch in der öffentlichen Verwaltung über Outsourcing-Projekte realisiert, eingeführt und etabliert werden und bilden die Grundlage einer evolutionsfähigen Software-Infrastruktur. Für die Evolution der Komponenten und der Infrastruktur muss ein entsprechender Prozess initiiert werden. Es wurden jedoch auch einige Herausforderungen identifiziert, die bei Outsourcing-Projekten in der öffentlichen Verwaltung unbedingt berücksichtigt werden müssen. So widerspricht z. B. das öffentliche Vergaberecht einer iterativ-inkrementellen Entwicklungsstrategie. Als Folge davon können kostenpflichtige Change-Requests kaum vermieden werden. Auch fehlende Kenntnisse der Auftragnehmer sowohl auf dem Gebiet der Sicherheit moderner komponentenbasierter Infrastrukturen als auch auf dem Gebiet der Realisierung von Komponenten im Allgemeinen können eine weitere Herausforderung darstellen. Die Verwendung moderner Komponentenplattformen wie z. B. Enterprise JavaBeans ist lediglich eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die erfolgreiche Realisierung austauschbarer und in verschiedenen Kontexten nutzbarer Komponenten. Hier ist eine umfassende Projektbegleitung und Qualitätssicherung gefragt. Die größte Herausforderung stellt jedoch das Fehlen eines Markts für Komponenten zur Realisierung der Fachlichkeit dar, die sich in die Komponenten-Infrastruktur integrieren lassen.
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