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2011
Book Article
Titel
Zerstörungsfreie Prüfung von Werkstoffen und Bauteilen
Abstract
Der zerstörungsfreien Prüfung (ZFP) von Materialien und Bauteilen, und zwar unabhängig von der speziellen Betrachtung von Leichtbauwerkstoffen, lassen sich grundsätzlich drei Aufgabenbereiche zuweisen: - Als erste und von der Bedeutung her als wichtigste Aufgabe steht der Nachweis, die Klassierung und die Größenbestimmung von Werkstoffungänzen, auch Werkstoffunregelmäßigkeiten oder Werkstofffehler genannt. Werkstofffehler können in jeder Phase der Fertigung der Materialien entstehen, also beim Urformen zu Halbzeugen, beim Umformen wie z.B. Walzen, Schmieden, Kneten, Tiefziehen, beim Fügen wie z.B. Schweißen, Nieten, Kleben. Diese sogenannten Fertigungsfehler sollen frühzeitig, möglichst schon im Prozess, nachgewiesen werden. Der Nachweis ist notwendig, um die nachfolgenden Schritte durchführen zu können. Der Fehler muss nach seiner Art klassiert werden. Rissartige Fehler, insbesondere, wenn sie mit der Oberfläche verbunden sind, weil in der Oberfläche grundsätzlich mechanische Spannungen nur Tangentialkomponenten besitzen, sind für ein Versagen unter Last als kritischer einzustufen als z.B. eine Pore. Der Größenbestimmung, d.h. der Bestimmung der Fehlergeometrie, kommt besondere Bedeutung (Dobmann 2007) zu, weil diese direkt den pannungsintensitätsfaktor K (SIF) des Fehlers bestimmt. Dabei ist bei rissartigen Fehlern KI, I gibt die Richtung senkrecht zur Rissfläche an, also unter Spannungen, die den Riss öffnen, der wesentliche SIF. Dieser, gemeinsam mit weiteren Materialkenngrößen, wie Streckgrenze (Dehngrenze) Rp0,2 und Zugfestigkeit Rm, sowie der Bruchzähigkeit KIC sind zur bruchmechanischen Beurteilung des Risikos für Versagen unter Last entscheidend. Werkstofffehler werden aber auch beim Betreiben von Komponenten induziert. Die Komponenten unterliegen Alterungsprozessen wie Ermüdung, Korrosion, in der kerntechnischen Industrie auch der Neutronenversprödung und im Hochtemperaturbereich dem Kriechen. Zusätzlich können sich Alterungsprozesse überlagern und die synergistische Wirkung führt zu einem schnelleren Verbrauch der Lebensreserven. Komponenten, die sicherheitsrelevant eingesetzt werden wie z.B. druckführende Behälter, Flugzeuge oder Hochgeschwindigkeitszüge werden daher regelmäßig wiederkehrend geprüft. - Als zweite ZFP-Aufgabe ist die Charakterisierung des Werkstoffmikrogefüges zu nennen. Dabei kann und will die ZFP nicht die Elektronenmikroskopie ersetzen, obwohl auch Anstrengungen in diese Richtung unternommen werden (Altpeter 2002). Wegen der im vorhergehenden Absatz hervorgehobenen Abhängigkeit der Versagenswahrscheinlichkeit eines Bauteils unter Last von bestimmten Werkstoffkennwerten, ist die Charakterisierung des Mikrogefüges mit ZFP-Verfahren besonders erwünscht, wenn sie durch zerstörungsfreie Bestimmung dieser Kennwerte gelingt. - Aus dem bisher Gesagten wird auch offensichtlich, dass eine wesentliche ZFPAufgabe die Bestimmung des mechanischen Spannungszustandes ist. Dies betrifft sowohl Last- als auch Eigenspannungen. Als Prüfverfahren kommen physikalische Messtechniken zum Einsatz. Sie basieren auf der Wechselwirkung bestimmter Energieformen mit dem zu prüfenden Material. Neben ionisierenden Strahlen (Röntgen- und Gammastrahlung, internationale Abkürzung RT, Radiographic Testing) kommen elektrische und magnetische Schwingungen und Wellenfelder, internationale Abkürzung ET, Electromagnetic Testing, mechanische Schwingungen und Wellenfelder, insbesondere Ultraschall (UT, Ultrasonic Testing) die Schallemission (internationale Abkürzung AT, Acoustic Testing), die Lecksuche (internationale Abkürzung LT, Leak Testing), sowie thermische Verfahren 2 (internationale Abkürzung TT, Thermal Testing) zur Anwendung. Speziell für den Nachweis von Oberflächenungänzen wird auch das Pentrierverfahren (internationale Abkürzung PT, Penetration Testing), bei magnetisierbaren Werkstoffen die Magnetpulverprüfung (internationale Abkürzung MT, Magnetic Testing) verwendet. PT beruht auf der Kapillarwirkung von Rissen, in die gefärbte Eindringmittel eindringen, MT macht Risse durch Magnetpulverraupen sichtbar, die gefärbt sind und durch die inhomogenen magnetischen Streufelder an Rissen sich an den Rissflanken anlagern. Nicht unerwähnt bleiben soll die visuelle Prüfung (internationale Abkürzung VT, Visual Testing), welche insbesondere bei Flugzeuginspektionen eine hohe Bedeutung hat (ASNT Nondestructive Testing Handbook,Third Edition, Vol.1-8, 1997-2008). Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf Leichtbauanwendungen. Dabei kann jedoch nicht die gesamte Bandbreite der ZFP dieser Materialien behandelt werden, sondern die Potentiale der ZFP-Technologie werden in Fallbeispielen aufgezeigt, die den Vorteil ihres Einsatzes besonders deutlich machen. Im Folgenden wird deshalb unterschieden zwischen standardisierten ZFPAnwendungen bezogen auf Leichtbaumaterialien und nicht standardisierten, die wegen ihres Potentials, die Qualitätssicherung dieser Werkstoffklasse wesentlich zu verbessern, schon in einer größeren Zahl von Industrieanwendern genutzt wird, bzw. deren Leistungsfähigkeit in ersten wissenschaftlichen Arbeiten dokumentiert wurde. Der nächstfolgende Abschnitt beschreibt die international verfügbaren Standards der ZFP von Leichtbauwerkstoffen, sodann werden aktuelle Forschungs- und Entwicklungsergebnisse zu nicht standardisierten ZFP-Methoden diskutiert und zusammengefasst.